Ein Vorwurf? – Nein, die Reaktion eines Klienten auf Ergotherapie!
Während meiner langjährigen Tätigkeit in einer Rehabilitationseinrichtung mit orthopädischer Ausrichtung, erschien eines morgens Fr. Siemens (Namen geändert – Anm. Verf.) bei mir zur Ergotherapie. Als übergeordnetes Therapieziel wurde die berufliche Wiedereingliederung festgelegt.
Fr. Siemens klagte über das Problem, aufgrund starker Schmerzen und Bewegungseinschränkungen in ihrer Schulter seit knapp einem Jahr nicht mehr arbeiten zu können und beschrieb das ganze Leid, was dieses Problem mit sich brachte. Nach der entsprechenden ergotherapeutischen Diagnostik, konnte ich rasch tätig werden.
Ich bat sie Platz zu nehmen und während ich mich mit ihr unterhielt, wendete ich therapeutische Praktiken an, die ich in meiner Ausbildung und danach in Fortbildungen erlernt hatte. Alles mit dem Ziel, Frau Siemens wieder „arbeitsfähig zu bekommen“. Nach einer halben Stunde bat ich sie, ihren Arm zu heben. Als sie merkte, dass sie den Arm mit deutlich weniger Schmerzen und zudem höher strecken konnte als vor der Behandlung, sah sie mich mit weit aufgerissenen Augen an und fragte:
„Oh mein Gott! Was haben Sie gemacht?“
Ein halbes Jahr später bekam ich einen Brief in die Klinik geschickt. Fr. Siemens konnte tatsächlich wieder ihrer Arbeit nachgehen und bedankte sich noch einmal für meine Arbeit. Sie fühlte sich wieder gesellschaftlich anerkannt. Viele psychische, finanzielle, private Probleme seien mit ihrer Genesung und Rehabilitation verschwunden.
Diese Dankbarkeit, die wir als Therapeuten in der Lage sind zu empfangen, wenn wir sehr bewusst, fachlich kompetent und individuell auf jeden einzelnen unserer Klienten eingehen ist derjenige Bonus, der den Sinn in therapeutischem Handeln erkennen lässt. Unsere Klienten haben alle einen Leidensdruck, den man sich nur schwer vorstellen kann, wenn man nicht unter gesundheitlichen Einschränkungen leidet, die einen zwingen, gewohnte Rollen, gewohntes Verhalten und gewohnte Verhältnisse ändern zu müssen oder gar komplett ad acta zu legen.
Als Lehrender bei SMMP ist es mir wichtig, den Lernenden genau das zu vermitteln. Sie nicht nur mit dem notwendigen fachlichen Know-how auszustatten, sondern ihnen zusätzlich nahe zu bringen, welchen Wert menschliche Dankbarkeit insbesondere in der heutigen Berufswelt hat. Es ist ein Privileg mit Menschen arbeiten zu können, ihnen helfen zu können. Es ist das, was einen tagtäglich zu seiner Arbeit motiviert. Wenn man dies für sich annimmt und immer mehr motivierende Momente für sich schafft, dann ist der therapeutische Berufszweig der schönste und dankbarste, den man hätte wählen können.
Stefan Eikelmann,
pädagogischer Mitarbeiter
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