Bildungsakademie für Therapieberufe

Ergo- und Physiotherapieausbildung (mit Ausbildungsvergütung😃)

Unterricht im Maßregelvollzug

Es ist Montag, der 13.Mai 2019, wir 36 Auszubildenden des Lehrgangs Ergotherapie 2018-2021 der Bildungsakademie für Therapieberufe Bestwig sammeln uns vor einer großen Pforte. Die Ausweise werden eingesammelt, Türen werden auf- und Wertsachen weggeschlossen. Um uns herum ist ein 5,5 Meter hoher Zaun:

Wir besuchen die psychiatrische Forensik in Lippstadt-Eickelborn.

Im Maßregelvollzug leben Menschen, die aufgrund einer psychischen Störung eine Straftat, ein sogenanntes Delikt, begangen haben und deshalb nicht in der Justizvollzugsanstalt untergebracht werden können. Im Maßregelvollzug steht die Therapie der psychischen Erkrankung im Vordergrund.

Wir werden herzlich von der psychologischen und der ergotherapeutischen Leitung empfangen und bekommen zunächst grundlegende Informationen über die alltägliche Arbeit in der Forensik und über rechtliche Rahmenbedingungen. Das freundliche und engagierte Pflegepersonal gibt uns bei einem Rundgang durch die unterschiedlichen Häuser viele Informationen zum Alltag und den jeweiligen Räumlichkeiten der Patienten sowie zu den großen Unterschieden der Rehabilitationen innerhalb der Stationen. Ergänzend folgen Schilderungen über die enge Zusammenarbeit mit den Patienten, aber auch über Grenzerfahrungen mit zumeist verbalen Übergriffen.

Die Stationen wirken steril, Schränke sind auf dem Flur festgeschraubt, teilweise gibt es doppelte Türen mit Gittern. Auch ein Kriseninterventionsraum befindet sich auf jeder der Stationen. Der Arbeitstag der dort Beschäftigten wird begleitet durch ständiges Auf- und Zuschließen von Türen. Jeder Mitarbeiter der Klinik bekommt nur die nötigsten Schlüssel, um Diebstahl und Ausbrüchen vorzubeugen.

Die Patienten haben ein eher geringes Freizeitangebot. Medienkonsum gibt es nur in Form einer Spielekonsole und eines PC‘s, der sich jeden Tag erneut auf seinen Urzustand zurücksetzt. Der Zugang zum Internet ist gänzlich untersagt. Im Haupthaus der Ergo- und Arbeitstherapie gibt es zudem auch ein Kunstatelier, einen Büroraum, in dem EDV-Kenntnisse vermittelt werden, eine Tischlerei und eine metallverarbeitende Werkstatt.

Die Patienten bekommen in der Zeit ihres Aufenthaltes die Möglichkeit, eine von der Handwerkskammer anerkannte Ausbildung in den Bereichen Holz- und Metallverarbeitung zu absolvieren. Außerdem werden noch andere Möglichkeiten zur Weiterbildung angeboten, wie zum Beispiel der Erwerb des Gabelstaplerscheins oder weitere Modulscheine im berufsbildenden Bereich.
Der Bereich der Ergo- und Arbeitstherapie beeindruckt die Lernenden sehr. Da sich die Ergotherapie in den letzten Jahren sehr gewandelt hat, ist es erfreulich zu sehen, dass die neuen Paradigmen, die wir in der Ausbildung lernen, auch hier Einzug gefunden haben. Die ergotherapeutische Arbeit fokussiert sich in der forensisch-psychiatrischen Klinik vermehrt auf den Lebensbereich der Produktivität. Da häufig ein enger Zusammenhang zwischen Straffälligkeit und Arbeitslosigkeit besteht, wird in der Ergotherapie versucht, den Patienten eine berufliche Perspektive zu geben und sie somit nach der Entlassung mit guten Voraussetzungen in die Gesellschaft zu integrieren.

Eine Gruppe der Lernenden kann sich auch das Kultur-Zentrum anschauen. Hier werden für die Patienten, die schon einige Lockerungen erhalten haben, zum Beispiel Kunstausstellungen und Theateraufführungen oder Musikabende veranstaltet.

In einem abschließenden Forum im Sozialzentrum der Klinik erhalten wir die Möglichkeit uns noch einmal auszutauschen und bekommen spannende und ausführliche Antworten auf all unsere Fragen und Eindrücke.

Nach vier Stunden verlassen wir mit aufgeräumten Vorurteilen, vielen Informationen, aber zugegebener Weise auch ein bisschen erleichtert die Einrichtung.

Autoren: Die Lernenden der Ergotherapie 18-21 A+B, Lisa Pieper (pädagogische Mitarbeiterin)