Nach einjährigen Gesprächen verkündet Andreas Pfläging den 200 Lernenden die frohe Nachricht
Ab dem 1. Oktober zahlt die Bildungsakademie für Therapieberufe ihren Lernenden eine Ausbildungsvergütung von über 1000 Euro pro Monat. Diese Nachricht verkündete der Leiter und Geschäftsführer der Einrichtung, Andreas Pfläging, am Mittwochmittag den 200 angehenden Ergo- und Physiotherapeutinnen und -therapeuten. Nicht alle erlebten das live mit. Aber Verwaltungsmitarbeiter Andree Schaub postete das Video von dieser sehr außergewöhnlichen Mittagspause anschließend auch über die eigenen Social Media-Seiten.
„Wahnsinn. Dann brauche ich keinen Nebenjob mehr, um mir diese Ausbildung zu finanzieren“, freut sich Annabell Wiedenlübbert. So wie ihr geht es vielen Lernenden der Bildungsakademie.
Selbstverständlich verdienen angehende Kranken- und Gesundheitspflegerinnen und- pfleger während ihrer Ausbildung Geld. Ergo- und Physiotherapeuten nicht. Dieser Ungerechtigkeit hat sich die Jugendorganisation der Gewerkschaft VERDI entgegengestemmt. Mit Erfolg. „Jetzt wurde auch die tarifliche Bezahlung für die Ergo- und Physiotherapie-Ausbildung vereinbart. Sie wird mit dem Beginn des neuen Ausbildungsjahres zum 1. Oktober umgesetzt – auch für alle, die jetzt schon in der Ausbildung sind“, führt Andreas Pfläging aus.
Bis 2017 kostete die Ausbildung noch 400 Euro im Monat
Der Weg dorthin war nicht einfach. Denn im Gegensatz zu vielen Therapie-Ausbildern, die sich in Trägerschaft eines Krankenhauses befinden, ist die Gesellschafterkonstruktion bei der Bildungsakademie komplizierter. Beteiligt sind zu 51 Prozent die Elisabeth Klinik der Josefsgesellschaft und zu 49 Prozent die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel. „Dank dieser Konstellation war es uns 2017 als einer der ersten Ausbilder möglich, in diesen Berufen schulgeldfrei zu werden„, rief Andreas Pfläging in Erinnerung. Auch damals war der Jubel unter den Lernenden groß.
„Bis dahin mussten die Lernenden 400 Euro monatlicher Ausbildungsvergütung bezahlen. Und das über 36 Monate. Sie können sich ja mal ausrechnen, ob Sie unter diesen Bedingungen heute hier säßen“, erläuterte der Akademie-Leiter den Lernenden.
In den jetzt seit über einem Jahr laufenden Gesprächen führte die Trägerkonstellation aber dazu, dass unklar war, ob die tarifliche Bindung auch für die Bildungsakademie gilt. „Dazu galt es mit den Sozialversicherungsträgern der Elisabeth-Klinik verhandeln“, erläutert Andreas Pfläging.
„Das schien noch weit weg“
Die Auszubildende Emma Hillebrand verrät: „Als ich meine Ausbildung zur Physiotherapeutin im vergangenen Herbst begonnen habe, hatte man uns schon gesagt, dass dazu Gespräche laufen. Und als wir gestern von der Einladung zu dieser Versammlung heute Mittag erfuhren, haben wir überlegt, ob das wohl der Anlass ist. Aber irgendwie schien das doch noch weit weg.“
Die 19-Jährige kommt jeden Tag aus der Nähe von Werl nach Bestwig, obwohl es in Soest seit dem vergangenen Jahr bereits einen Ausbildungsträger gibt, der eine Vergütung bezahlt. „Aber hier ist die Atmosphäre menschlich ganz anders. Viel familiärer. Hier fühlte ich mich besser aufgenommen. Daher habe ich mich für Bestwig entschieden.“
Bald wird sie auch Geld bekommen – wie die Auszubildenden in Soest. Andreas Pfläging erklärte mit breitem Lächeln: „Wir wären nicht wir, wenn wir für die Bildungsakademie nicht eine Lösung gefunden hätten.“
Künftig nicht nur Auszubildende, sondern auch Angesellte
Jetzt kommt ganz viel Arbeit auf die Bildungsakademie zu: „Denn das hat zur Folge, dass Sie ab Oktober nicht nur Auszubildende, sondern auch unsere Angestellten sind“, richtete er sich an die Lernenden. Dafür gebe es neue Arbeitsverträge, sozialversicherungspflichtige Abgaben, evtl. auch ein paar Änderungen in der Ausbildungsstruktur. „Aber das werden wir gemeinsam schaffen“, blickt Andreas Pfläging mit seinem Team von gut 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern optimistisch nach vorn: „Genießen Sie jetzt erst einmal den Augenblick. Lassen Sie es sacken. Dann sehen wir weiter.“
„Ich habe die Nachricht sofort in meine Familiengruppe gepostet“, sagt Emma Hillebrand. Und ihre Klassenkameradin Julia Platte freut sich genauso: „Bis jetzt arbeite ich jedes Wochenende in der Gastronomie. Manchmal bis tief in die Nacht. Da fehlte mir nicht selten der Schlaf, um zu lernen. Das kann ich mir dann in Zukunft sparen.“ Die 22-Jährige kommt aus der Nähe von Welver und verfährt in jedem Monat allein schon 400 Euro Benzin, um sich zur Physiotherapeutin ausbilden zu lassen.
Annabell Wübbenlübbert arbeitete bislang viermal wöchentlich in einem Fitnessstudio. So haben die meisten der 200 Auszubildenden noch einen Nebenjob, um sich ihren Berufswunsch zu erfüllen. „Und das, obwohl ein Drittel der Therapeutenstellen in Deutschland unbesetzt sind“, betont Andreas Pfläging immer wieder. Er findet die Vergütung daher nur gerecht.
Alena Zech, die sich im dritten Ausbildungsjahr zur Ergotherapeutin befindet, wird von dieser Vergütung nichts mehr haben. „Und trotzdem freue ich mich mit“ erklärt sie, als die Nachricht bekannt wird. Ein Beleg für das gute Miteinander in der Bildungsakademie.
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