Ergo- und Physiotherapieausbildung (mit Ausbildungsvergütung😃)

Deeskalationstraining – Gut vorbereitet sein in schwierigen Therapiesituationen

Auch wenn sich womöglich niemand der angehenden Therapeut*innen eine Situation im beruflichen Alltag vorstellen möchte, in der es eventuell um Gewalt, ein grenzüberschreitendes Verhalten oder eine sexuelle Belästigung geht, ist es sinnvoll, genau darauf vorbereitet zu sein!

Im Zusammenhang der Ausbildung finden diese Themen in unterschiedlicher Art und Weise Aufmerksamkeit. So hat ein Team der Bildungsakademie zum Beispiel ein präventives Schutzkonzept zur sexuellen Gewalt entwickelt, das den Lernenden einen äußeren Schutz zur Sicherheit bietet und sie in möglichen Gefahrensituationen in Anspruch nehmen können. Entscheidend aber ist vor allem, dass den Lernenden ein entsprechender Raum und die Möglichkeit gegeben wird, ihre eigenen Grenzen zu kennen und ein Gespür dafür zu entwickeln, was sie persönlich als grenzüberschreitendes Verhalten empfinden. Grenzen schützen vor physischen und psychischen Verletzungen und werden über Normen, Spielregeln oder Gesetze festgelegt. Abhängig vom sozialen Kontext müssen diese immer wieder neu bestimmt und definiert werden. Jeder Mensch bestimmt seine persönliche Intimsphäre, die durch Sozialisation, persönliche Erfahrung, Wahrnehmung und Erlebnisse geprägt wird und ein unterschiedliches Empfinden von Nähe und Distanz zulässt. Durch Unkenntnis oder Nichtbeachtung von Verhaltensregeln kann das persönliche Grenzerleben schnell gebrochen werden.

Um sich wirksam gegen unangemessene Nähe zur Wehr setzen zu können, ist es daher wichtig, seinem eigene Körpergefühl gut zu vertrauen. In den Berufen der Ergo- oder Physiotherapie sind die Therapeutinnen sehr vielen und zum Teil intensiven Körperkontakten ausgesetzt. Zahlreiche Behandlungsmethoden erfordern ein intensives Führen und Begleiten von Bewegungs- und Handlungsabläufen, in denen die Therapeutinnen ihren Klient*innen sehr nah kommen und im professionellen Umgang lernen müssen, sich entsprechend zu verhalten.

Der Unterricht in Modul 15 „Schwierige Therapiesituationen“ bietet hier zum Beispiel Gelegenheit, sich mit Situationen auseinanderzusetzen, in denen Klient*innen ein mögliches aggressives, ablehnendes oder stark forderndes Verhalten zeigen könnten. Die Lernenden beschäftigen sich dann unter anderem mit folgenden Fragen: Wie kann ich in kritischen Momenten aufgrund unangenehmer Berührungen oder verbalen Angriffen professionell und sicher agieren? Wie verhalte ich mich richtig? Was brauche ich an kommunikativen Techniken, um mich zur Wehr zu setzen und konstruktiv mit der Situation umzugehen? An dieser Stelle bringen die Lernenden eigene Erfahrungen und Erlebnisse aus ihrer bis dahin absolvierten praktischen Ausbildung ein. Indem versucht wird, die Situationen gezielt nachzustellen, können kommunikative Strategien gemeinsam erarbeitet und das Erleben von grenzüberschreitenden Situationen thematisiert werden.

Ein Höhepunkt des Unterrichts zu diesem Thema ist ein abschließendes, praktisch durchgeführtes Deeskalationstraining, bei dem die Lernenden selbst einmal mit einem gewaltvollen Angriff konfrontiert werden. In vier Unterrichtseinheiten besucht uns hierzu Nina Meinhold, die selbst seit 2015 Kampfsport betreibt und von 2018-2021 an der Bildungsakademie die Ausbildung zur Ergotherapie absolvierte und seit 2022 mit zum Lehrenden-Team zählt. Als Ergotherapeutin und Kampfsportlerin versteht sie es, mögliche Gefahrensituationen als Therapeut*in zu beschreiben und mit den Lernenden entsprechende Reaktionsstrategien zu erarbeiten. Auch wenn sie sich „zum Glück“, wie sie sagt, bisher noch nicht als Ergotherapeutin im beruflichen Alltag einer stark grenzüberschreitenden Situationen aussetzen musste, geht es ihr in erster Linie darum, dass die Lernenden ein Verständnis für mögliche Gefahrenquellen entwickeln. Zum Beispiel, wie reagiere ich, wenn mich Jemand mit einem Gegenstand angreift und ich nicht mehr die Möglichkeit habe wegzurennen? Oder was heißt es, sich aus einer Umklammerung oder einem Würger zu befreien? In solchen Situationen bleibt nicht viel Zeit zum Überlegen, sondern muss instinktiv gehandelt werden.

Darüber hinaus werden in dem Training auch Themen besprochen, wie es ist, wenn ich in eine sogenannte Schockstarre verfalle oder wie schmerzhaft ein Schlag oder Tritt überhaupt sein kann. Eine der häufigsten Fragen der Lernenden im Training ist laut Nina Meinhold jedoch, wie ich es schaffen kann, dass es erst gar nicht zu einer gewaltvollen Situationen kommt. Natürlich ist das oberste Gebot, sagt sie, deeskalierend zu handeln und die Klient*innen, wenn möglich, zu beruhigen oder laut nach Hilfe zu rufen. Ganz und gar schützen, kann sich allerdings niemand. Daher empfiehlt Nina Meinhold jedem, ein solches Training einmal mitgemacht und ausprobiert zu haben. Zum einen stärkt es das Selbstbewusstsein und zum anderen wird dadurch schon die Gefahr vermindert, selbst zu einem potenziellen Opfer zu werden.

Und ohne die Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit dieses Themas zu reduzieren, haben die Lernenden immer eine Menge Spaß bei diesem Training und entdecken zum Teil Kräfte, die sie zuvor an sich noch nie kennengelernt haben.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Nina Meinhold, die dieses Training für unsere Lernenden möglich macht!

Julia Borggrebe
Pädagogische Mitarbeiterin