Tagtäglich haben wir in der Therapie mit unterschiedlichsten Klienten, verschiedensten Patienten zu tun. Unser Ziel als Therapeut:innen: Lebensqualität verbessern, Selbstständigkeit fördern.
Dabei begegnen wir in der Therapie Menschen mit vorübergehenden Einschränkungen, sodass uns die „Wiederherstellung“ von Funktionen gelingt. Yeah, Ziel erreicht!
Doch was ist mit unseren Klient:innen, die von Geburt an körperliche, geistige oder seelische Besonderheiten haben? Die nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechen?
Was ist mit den Patient:innen, die von degenerativen Erkrankungen betroffen sind? Die durch Schicksalsschläge und Unfälle in ein vollkommen neues Leben katapultiert werden und zwar ohne „Rückfahrticket“? Sind sie automatisch abgestempelt und landen auf der zu bemitleidenden Seite der Gesellschaft? Ach schade, aber was soll man machen.
Im Jahr 2009 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben, um Inklusion zu verpflichten. In der Theorie ein großer Schritt. Doch wie sieht es in der Umsetzung aus?
Vor allem in den letzten eineinhalb Jahren haben wir an vielen Stellen sehr bewusst gesehen, dass der gegenseitige Schutz und die Übernahme von Verantwortung bei jedem einzelnen liegt. Wir leben in einer Demokratie, in der Selbstbestimmung und Chancengleichheit als zwei exemplarische Begriffe stehen, um die Vorzüge darzustellen. Und vielleicht hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass nicht nur von der Politik und dem Gesundheitssystem verlangt werden kann, Verantwortung zu übernehmen. Vielleicht haben die Politik und das Gesundheitssystem bemerkt, dass aus der Bevölkerung selbst, aus der Gesellschaft heraus Verantwortung getragen wird; dass Menschen eine Maske tragen und sich gegenseitig schützen, dass sie sich einschränken, um zum normalen Leben zurückzukehren. Andererseits hat die Pandemie Missstände aufgedeckt, Ungleichgewicht offenbart und viele Ansatzpunkte offengelegt, die wir als Gesellschaft verändern müssen. Die einer intensiven Aufarbeitung bedürfen.
Was hat das mit Inklusion zu tun?
„Inklusion bemüht sich, alle Dimensionen von Heterogenität in den Blick zu bekommen und gemeinsam zu betrachten […] Charakteristisch ist dabei, dass Inklusion sich gegen dichotome Vorstellungen wendet, die jeweils zwei Kategorien konstruieren […].“ (Frühauf 2010)
Vielleicht geht man davon aus, dass Inklusion „nur“ Menschen mit Behinderung in den Blick nimmt.
Wie schön, dass es um ALLE Unterschiedlichkeiten geht, dass Inklusion sich GEGEN alle Vorstellungen wendet, die Kategorien bilden, in Schubladen stecken und Menschen kategorisch/systematisch ausschließen.
Und wie wertvoll, dass wir in der Ausbildung junge Menschen dabei begleiten, ebenfalls mit Vorurteilen aufzuräumen – und wir andersherum so viel von unseren Lernenden lernen, was Diversität, Gerechtigkeit und Gleichstellung angeht. Sie nehmen ihr Wissen und ihr kritisches Hinterfragen mit und geben es weiter, sodass sie ihre Klient:innen und Patient:innen dabei unterstützen und begleiten, ihren Alltag zu bewältigen und dass das Umfeld angepasst wird.
Stück für Stück kann ein neues Verständnis entstehen für Unterschiedlichkeiten. Der Raum für den Austausch wird geöffnet.
Bis alles für alle alles ist!
Lea Marie Miranda, Ergotherapeutin
Pädagogische Mitarbeiterin
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